Katja Kipping: Eine dialektische Geschichte. Wie aus PDS und WASG die neue LINKE entsteht

Geschichte wird von großen Männern gemacht. Diese Vorstellung ist auch die vorherrschende Gründungsgeschichte der LINKEN, die gerne als die Geschichte zweier Männer erzählt wird. Aber auch wenn es etwas nativ ist zu glauben, dass ein kleiner Kreis lebenserfahrener Männer eine Parteigründung unter sich ausgefochten hätte, möchte ich nicht geschichtsphilosophisch werden. Unzweifelhaft aber hat der Austritt von Oskar Lafontaine aus der SPD und seine Ankündigung, nur dann für eine Kandidatur zum Bundestag bereit zu stehen, wenn sich die Parteien PDS und WASG auf eine gemeinsame Kandidatur zur kurzfristig von Gerhard Schröder ausgerufenen Neuwahl des Bundestags im Herbst 2005 verständigen, den Druck auf beide Parteivorstände enorm erhöht. Und ohne die klare Entscheidung von Gregor Gysi und des leider viel zu früh verstorbenen damaligen PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky, dessen Rolle für die Gründung der gemeinsamen LINKEN wiederum gerne unterschätzt wird, in der PDS für einen neuen Namen zu werben, wäre es nicht zur Fusion gekommen. Denn man darf nicht vergessen, dass es damals sowohl führende Köpfe im Reformerlager wie in der Kommunistischen Plattform gab, die die Umbenennung der PDS in Linkspartei sehr kritisch gesehen haben.

Aber gerade heute, zehn Jahre nach der Gründung der WASG, halte ich es für angebracht, die gängige Geschichtsschreibung zu ergänzen. Denn nicht erst seit Marx wissen wir, dass die Geschichte eine Geschichte wirklicher Bewegungen ist, eine von sozialen Kämpfen und von den Widersprüchen der ökonomischen und politischen Verfasstheit einer Gesellschaft und nicht die von einsamen Staatsmännern oder -frauen bzw. ParteiführerInnen.

Wirkliche Bewegung

Ich habe das Entstehen der LINKEN von Anfang an aus nächster Nähe begleitet. Richtig ist: Einige Männer haben in entscheidenden Momenten die richtige Entscheidung gefällt – wie übrigens auch einige Frauen. Viel ausschlaggebender sind jedoch die gesellschaftlichen Prozesse, die dazu führten, dass die überall zitierten Männer überhaupt zu einem Punkt gelangen konnten, an dem sie vor diesen Entscheidungen standen.

Im konkreten Fall heißt das: Die Grundlage für das Entstehen einer neuen linken Partei wurde vor allem durch die sozialen Bewegungen geschaffen. Es waren die bundesweiten Protesttage gegen die Agenda 2010, die im November 2003 und im April 2004 deutlich machten: Es gibt erste Risse in der neoliberalen Hegemonie. Der Zeitgeist verändert sich. Neoliberale Deutungsmuster verlieren langsam ihre Deutungshoheit. Zu den wichtigen, leider oft ausgeblendeten Etappen auf dem Weg Richtung neue Linkspartei gehören vor allem die Europäischen Sozialforen und der Perspektivenkongress Mitte Mai 2004 in Berlin. Rund 1.500 Menschen kamen zu diesem Kongress, um über Alternativen zu Sozialraub und Privatisierung zu diskutieren. Auf dem europäischen Sozialforum im November 2003 in Paris trafen sich Linke, sozial Bewegte, engagierte ChristInnen und Angehörige von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), um sich für ein anderes Europa einzusetzen. Die Gewerkschaft ver.di ließ ihren Vorsitzenden Frank Bsirske zum Treffen der deutschen Gruppen am Rande des Europäischen Sozialforums einfliegen. Der Geist der Veränderung lag in der Luft.

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Quelle: Der Beitrag erschien im Supplement der Zeitschrift Sozialismus 7-8/2014, S. 43ff. Details zum Supplement :

Alexander Fischer / Katja Zimmermann (Hrsg.): Strategie einer Mosaik-Linken. Von WASG und PDS zu DIE LINKE.  und neuen Herausforderungen (56 Seiten | 2014 | EUR 5.00 ISBN 978-3-89965-978-8). Es ist über den VSA: Webshop erhältlich.


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