Kämpferischer Kanon: Klassikerinnen feministischer Theorie, Band 1 bis 3

978-3-89741-323-8-CoverLea Susemichl schreibt in der Septemberausgabe der feministischen Zeitschrift anschläge über „Klassikerinnen feministischer Theorie“, diese drei zusammengehörenden Bücher würden durch programmatische Texte – auch für die politische Praxis – bestechen. Susemichl weiter: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“ Sätze wie dieses wohlbekannte Diktum aus Simone de Beauvoirs Werk „Le Deuxième Sexe“ („Das andere Geschlecht“), das es auf Buttons, Hauswände und Transparente geschafft hat, zeigen: Feministische Theorie ist mit feministischer Bewegung unmittelbar verbunden. Wie jede soziale Bewegung braucht auch der Feminismus unbedingt seinen Lektüre-Kanon, liefert er doch das Futter für Aktivismus. Schließlich ist und war die Biografie jeder aufrechten Kämpferin zu allen Zeiten nur schwer denkbar ohne eine euphorische erste Begegnung mit emanzipatorischen Schriften. Eine Textsammlung von „Klassikerinnen feministischer Theorie“, wie sie nun im Ulrike Helmer Verlag in drei Bänden erschienen ist, stellt deswegen nicht nur ein Lehrbuch „für Studium und Weiterbildung“ bereit, wie es im Klappentext heißt, sondern ist auch eine wichtige Ressource für aktivistisches Engagement.
Gesellschaftskritik mit Lücken
Folgerichtig definieren die Herausgeberinnen des soeben erschienenen letzten Bandes feministische Theorie auch konsequent als feministische Gesellschaftskritik. Das Buch, das den Zeitraum von 1986 bis heute abdeckt, versammelt Schlüsseltexte von Rosi Braidotti bis Gayatri Chakravorty Spivak und enthält einige erfreulich explizit kapitalismuskritische Positionen. Womit wohl auch dem oft geäußerten Vorwurf einer Entpolitisierung feministischer Theorie seit dem „linguistic“- und „queer turn“ begegnet werden soll. Leider hat dies zur Folge, dass nur die Pionierinnen Judith Butler und Eve Kosofsky Sedgwick als queere Autorinnen vertreten sind. Eine andere Leerstelle wiegt allerdings noch schwerer: Als Vertreterinnen des Black Feminism tauchen in allen drei Bänden der Reihe nur Sojourner Truth – die bereits 1851 an weiße Frauenrechtlerinnen die Frage „Ain’t I a Woman?“ richtete – und Patricia Hill Collins auf, zentrale Impulsgeberinnen wie Angela Davis, Audre Lorde oder bell hooks fehlen.
Jede Auswahl hinterlässt zwangsläufig Lücken – doch zweifelsohne wird mit dem vorliegenden Versuch einer Kanonisierung feministischen Wissens auch ein fundamentaler Gap geschlossen. So wird mit den „Klassikerinnen feministischer Theorie“ nicht nur ein Nachschlagewerk gerade für jüngere Studierende geliefert, sondern zudem die schöne Tatsache belegt, dass feministische Forschung auch über die Grenzen der Scientific Community hinaus immer wieder wirkmächtig war.“

Die ganze Rezension ist hier online.

Ute Gerhard, Petra Pommerenke, Ulla Wischermann (Hg.): Klassikerinnen feministischer Theorie. Grundlagentexte Band 1 (1789–1919), Ulrike Helmer Verlag, 30,80 Euro
Ute Gerhard, Susanne Rauscher, Ulla Wischermann (Hg.): Klassikerinnen feministischer Theorie. Grundlagentexte Band 2 (1920–1985), Ulrike Helmer Verlag, 30,80 Euro
Helma Lutz, Marianne Schmidbaur, Ulla Wischermann (Hg.): Klassikerinnen feministischer Theorie. Band 3, Grundlagentexte ab 1986, Ulrike Helmer Verlag, 30,80 Euro



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