Sahra Wagenknecht kritisiert die Bundesregierung. Von Rechts!

Von Anne Helm (Berlin), Oliver Höfinghoff (Berlin), Peter Laskowski, (Gärtringen)

Vor einer Woche geht ein 17-jähriger in einem Regionalzug bei Würzburg mit einer Axt auf Reisende los, am Freitag läuft ein 17-jähriger in München Amok, am Sonntagabend tötet ein 21-jähriger eine Frau mit einem Messer und verletzt Passant*innen in Reutlingen  und in der Ansbacher Innenstadt zündet ein 27-jähriger einen Sprengsatz.

Die Genossin Sahra Wagenknecht nimmt das zum Anlass, die Flüchtlingspolitik der Regierung zu kritisieren. Die Ereignisse der vergangenen Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges ‚Wir schaffen das‘ uns im letzten Herbst einreden wollte„, teilte sie in einer Presseerklärung  mit.

 

Verlorener Realitätsbezug

 

Mit der Realität hat dies nichts zu tun. In allen 4 Fällen waren es psychisch labile Täter, die sich in einer persönlichen Krise befanden.

In Würzburg greift ein „verunsicherter Jugendlicher, der durchgeknallt ist“ in einem Zug Menschen mit einer Axt an.

Ein 17-jähriger Deutscher läuft in seiner Geburts- und Heimatstadt Amok, unter seinen Opfern waren „drei Kosovo-Albaner, drei weitere Türken und ein Grieche

In Reutlingen tötet ein polizeibekannter 21-Jähriger mit psychischen Problemen eine Bekannte und läuft nach dieser Beziehungstat mit einem Messer Amok.

Ein polizeibekannter 27-Jähriger, der bereits zwei Mal versucht hat, sich das Leben zu nehmen und deshalb schon in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, zündet eine Bombe und tötet damit sich und verletzt zwölf Menschen.

In allen 4 Fällen ist für Sahra Wagenknecht eindeutig: Die Schuld trägt „Merkels leichtfertiges ‚Wir schaffen das‚“.

Ja, drei der vier Fälle haben etwas mit der Fluchtbewegung infolge der in Syrien und Afghanistan tobenden Bürgerkriege zu tun. Und damit enden die Gemeinsamkeiten. Und nein, Angela Merkels „Wir schaffen das“ hat mit den Taten der letzten Tage soviel zu tun wie die Tatsache, dass am Südpol grade Winter ist.

Die Genossin Wagenknecht hattet die Möglichkeit, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung von Links zu Kritisieren. Sie hat drauf verzichtet.

Linke Kritik an Merkels Kurs gilt vor allem der Tatsache, dass auf das Versprechen „Wir schaffen das“ keine an Humanität orientierte Asylpolitik folgte. Stattdessen wurde das Grundrecht auf Asyl immer weiter eingeschränkt. Durch Abkommen mit Despoten, die uns die Menschen auf der Flucht „vom Hals halten“ sollen, nimmt Merkel humanitäre Katastrophen wissentlich in Kauf. Durch die Aussetzung der Familienzusammenführung werden zunehmend auch Kinder auf die oft tödliche Flucht geschickt.

 

Die Bundesregierung von Links kritisieren

 

Eine Kritik an Angela Merkels ‚Wir schaffen das‘ von links bedeutet für uns, klar zu machen, dass besonders jugendliche, unbegleitete Flüchtlinge psychosoziale Betreuung benötigen, sowie Zugang zu Bildung und Arbeit. Es bedeutet, die Belastung der Flüchtlinge durch die Flucht nicht noch durch den Stress einer Kasernierung in überfüllten und unzureichenden Lagern zu verlängern. Dazu müssen die Kommunen so ausgestattet sein, dass sie ihren Versorgungsaufgaben nachkommen können. Eine linke Kritik an der Bundesregierung beinhaltet die Kritik an rassistischer Stigmatisierung von Flüchtlingen und Muslimen. All dies leistet die Genossin Wagenknecht nicht!

Statt sich – wie der Parteivorstand in der Debatte nach den gewalttätigen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht – gegen die Instrumentalisierung der Taten von psychisch labilen Tätern für rassistische Hetze und dem Ausbau des Überwachungsstaates zu verwahren, stößt Wagenknecht in das gleiche Horn wie reaktionäre und konservative Politiker*innen.

Wenn sie schreibt „Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können. Das setzt voraus, dass wir wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt.“ dann hat sie mit ihrer ersten Forderung Recht. Das überparteiliche Gewaltmonopol, die Gleichheit der Bürger*Innen vor dem Gesetz und der Schutz der Bürger*Innen und ihres Privateigentums sind das grundlegende versprechen des Kapitalistischen Staates an all seine Bürger*Innen. Natürlich erwarten wir, das „der Staat“, gemessen an diesem Grundlegenden Versprechen, auf dem sein Gewaltmonopol beruht,  dafür Sorge tragen, dass sich alle Menschen in diesem Land sicher fühlen können. Das gehört zu seinen primären Aufgaben und dafür existiert das Gewaltmonopol des Staates. Aufgrund dieses Bedürfnisses nach Sicherheit sind viele Menschen in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen. Denn hier hoffen sie, in Sicherheit leben zu können.

Die zweite Forderung „wir [müssen] wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt.“ ist ein Fehlschluss. Die Sicherheit aller in diesem Land lebenden Menschen wird nicht dadurch gesteigert, dass die Erfassung, Beobachtung und Kontrolle neu zugezogener Personen verstärkt wird. Keiner der vier Täter, deren Angriffe Auslöser für die Pressemitteilung waren, hätte durch eine noch so lückenlose Totalüberwachung von seinem Handeln abgehalten werden können. Wenn sie schreibt „wir [müssen] wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt.“ so hat das weitere fatale Folgen.

Mit solchen Aussagen befördert sie die rassistische Stigmatisierung von Flüchtlingen und Muslimen und stellen alle Geflüchteten und Muslime unter Generalverdacht.

Eine Linke Politik steht dafür, Asylsuchenden ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, ohne Kontrolle, Misstrauen und Isolation, ohne rassistische Stigmatisierung  zu ermöglichen. Sie und alle von Rassismus betroffenen Menschen sind es schließlich, die sich in Deutschland seit Jahren und Jahrzehnten nicht sicher fühlen können. 10 Jahre NSU-Mordserie, hunderte weiterer Opfer rechten Terrors sprechen eine eindeutige Sprache.

Sahra Wagenknecht könnte Kasernierung, Arbeitsverbot, fehlende therapeutische Betreuung und soziale Ausgrenzung kritisieren, ohne ins Horn der CSU zu stoßen.

Es wäre schön, wenn die Genossin Wagenknecht sich gemeinsam mit uns dafür einsetzen würde.


16 Kommentare on “Sahra Wagenknecht kritisiert die Bundesregierung. Von Rechts!”

  1. Hans sagt:

    Ihr macht es Euch mit Eurer Kritik einfach und bedient reflexartig ein Schwarz-weiß-rechts-links-Schema, das IMHO unpassend ist.
    Die Benennung realer Probleme beim „Wirschaffendas“ gleichzusetzen mit einer Aussage, dass das (in Eurer Interpretation der Aussagen von Frau W.) „Wirschaffendas“ alleinverantwortlich sei für aktuelle Gewalttaten macht blind für eben jene Probleme.
    Denn in der derzeitigen Umsetzung ist das „Wirschaffendas“ lediglich ein „Augenzu und durch“ ohne über Nebenwirkungen nachzudenken (ja, Ihr tut das schon auch, aber stellt dabei künstliche Tabus auf) vor allem auch eine Abwälzung der Lasten auf ehrenamtlich tätige. Das sehen eben nicht nur Rechte und Rassisten kritisch.

    Für ein „Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, ohne Kontrolle, Misstrauen und Isolation“ aller fehlen momentan leider eine ganze Menge wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Voraussetzungen. Auch vielen Migranten und Flüchtlichen sind diese Ideale noch unbekannt, weil sie in Herkunftsländern durch ganz andere Arten von Gewalthierarchien geprägt sind, die aufs darwinsche nackte Überleben aus sind. Die Augen davor zu verschließen, dass z.B. manche Flüchtlinge Ihren Hass auf Europärer und Amerikaner, die ihre Familien wegbombten hier in Sicherheit oft eben nicht plötzlich diesen Hass ablegen können, ist naiv und zeugt eher bei Euch für eingeschränkte Realitätswahrnehmung. Darauf hinzuweisen, dass man die hier her kommenden Menschen genauer anschauen und unter die Lupe nehmen sollte, ist deshalb mit nichten rassistisch, wie ihr behauptet.
    „wir [müssen] wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt.“ heißt auch nicht (unbedingt) Überwachung und Kontrolle, sondern z.B. sorgfältigere Befragung und Prüfung der Herkunft bei Einreise ohne Stigmatisierung aber mit Sachkenntnis. Das ließe sich sciher im Diskurs klären, statt ihre Äußerungen als rechts zu stigmatisieren.

    Dem Teil-Satz „Sahra Wagenknecht könnte Kasernierung, Arbeitsverbot, fehlende therapeutische Betreuung und soziale Ausgrenzung kritisieren“ unterstütze ich, aber ihre von Euch kritisierten Forderungen als „Horn der CSU“ o.ä. ab zu tun, ist dogmatisch.

    Anders gesagt Eure Forderungen und Frau Wagenknechts Forderungen schließen einander nicht aus, sondern sollten eher zusammen angegangen werden!

  2. Gutmensch sagt:

    Sahra Wagenknecht hat unbequeme Aspekte des Jahres 2015 – des Jahres der Bahnhofseuphorie – angesprochen. Merkels „Wir schaffen das“ war ähnlich oberflächlich wie seinerzeit Helmut Kohls „blühende Landschaften“. 1990 wurde Oskar Lafontaine angefeindet, als er der Einheitseuphorie ein paar nachdenkliche Aspekte entgegensetzte. Ähnliches tut nun Sahra.
    Wenn man die Ausführungen von Sahra schon nicht teilt, sollte man sie in einer pluralen Partei zumindest gelten lassen.
    Sich mit Sachsen-Anhaltinischen Wahlergebnissen abzufinden, wäre der bequeme, aber falsche Weg.

  3. B.A. sagt:

    Entschuldigung hallo sie hat doch Recht!!!!!!! Alle Flüchtlinge die hier in Deutschland Polizeilich erfasst werden in den Flieger und Heim ausweisen. Das sind diejenigen die Flüchtlinge in ein schlechtes Bild rücken die Leute überfallen wie gerade vor 1/2 Tagen in SB. 40.-€ und Smartphone Vergewaltigen und sich selbst und andre mit in den tot reisen. Weil sie denken Gott Allah will das so. Die Flüchtlinge die hier in Deutschland sich anpassen sind nur die auch Kriegsverfolgt sind und einfach nur in Frieden Leben wollen. Alle ziemlich alle anderen benehmen sich wie wilde Tiere und meinen sie könnten sich nehmen was sie brauchen und sind eine Gefahr für uns alle auch Phsyschich bedingt.

  4. znep82 sagt:

    Tja, scheiße, so Einzelfälle in ner Partei zu haben, was?

  5. voilapavel sagt:

    DANKE! für diese wichtige und richtige Analyse! Wir brauchen in unserer Partei einen emanzipatorischen Aufschwung. Es wird Zeit darüber nachzudenken, ob sie die richtige Vorsitzende unserer Bundestagsfraktion ist.

  6. Philipp A. sagt:

    Das Laissez-Faire im Umgang mit Geflüchteten hat doch gerade erst zu den Zuständen geführt, unter denen wir heute zu leiden haben. Genau das hat Frau Wagenknecht kritisiert.

    Selbstverständlich hat unser Staat ein Recht darauf zu erfahren, wer zu uns kommt und um unseren Schutz und unsere Unterstützung anhält.

    Es ist schlicht naiv und grenzt an Dummheit anzunehmen, dass alle Menschen, die zu uns kommen, ehrenwerte Motive verfolgen. Selbstverständlich sind darunter auch unzählige Menschen, die lediglich unseren Wohlstand, nicht aber unsere Werte bewundern. Letztere aber dürfen wir nicht durch falsch verstandene Toleranz opfern, sondern müssen sie auch gegenüber Geflüchteten mit Nachdruck durchsetzen. Wie dies ohne Kenntnis der Person möglich sein soll, bleibt bei Euren Ausführungen gänzlich im Unklaren.

    Anschließend noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen: Die Realitätsferne bzw. -verweigerung, die auch bei Euch erkennbar ist, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die politische Linke in Deutschland kein Bein auf den Boden bekommt und es Rechtspopulisten wie die AfD so einfach haben, Stimmen zu gewinnen. Deshalb brauchen wir in Gegenzug eine linke Politik, die gewillt ist auf die Ängste und Sorgen der Bevölkerung zu hören – selbst wenn diese sehr subjektiv und zum Teil irrational sein mögen. Ihr hingegen begeht den selben Fehler der Etablierten Parteien, der die AfD so stark werden ließ.

    • Natürlich kommen Menschen zu uns, auch Menschen mit Fehlern. Und wer gegen Gesetze verstößt muss nach dem geltenden Strafrecht bestraft werden. Punkt. Alles andere widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien. Dazu gehört auch, die zu uns kommenden Schutzsuchenden nicht besonders zu überprüfen (Unschuldsvermutung anyone?), zu überwachen oder gar unter Generalverdacht zu stellen.

      Bezüglich „Realitätsferne“ kann ich nur immer wieder feststellen, dass die Menschen, die Vorbehalte gegenüber den Schutzsuchenden haben dringend ihre Realität überprüfen sollten. Denn wenn näher nachgebohrt wird, halten deren Vorbehalte keinem Realitätscheck stand – deren Weltbild besteht aus Gerüchten, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien.

  7. GibtEs sagt:

    Ahhja, so wie mit den Türken „damals“. Man hatte auch gehofft zu integrieren. Jetzt hat man die AKP Fuzzies im Land und damit Pro-Erdogan-Demos und Graue Wölfe. Super!

    *Die Persönlichen Angriffe gegen die Autor*Innen in diesem Satz wurden gestrichen*

    • GibtEs sagt:

      *Die Persönlichen Angriffe gegen die Autor*Innen in diesem Satz wurden gestrichen*

      Insofern toll. Warum streicht ihr die persönlichen Angriffe auf Sarah nicht? Ach ich vergaß, da ists ja gewollt. Ihr seid mir schon ein paar Spezialisten.

  8. Illovo sagt:

    Im Moment erklärt mir ein BILD-naher und CSU-freundlicher TV-Sender mit identisch populistischem Wortlaut die Problematik der „merkelschen Flüchtlingskrise“ und präsentiert identisch oberflächlich formulierte Lösungsansätze wie die Fr. WK. Wenn’s zu Mehr nicht mehr langt, sollte man auch keine Pressemeldungen raushauen (dürfen). Flaches Geschwafel von Wählerstimmengeilen hören wir und, weitaus dramatischer, die wirklich Betroffenen seit Jahren (wenn sie überhaupt was hören). Betonung auf „Jahre“.
    Jetzt rüsten wir also milliardenschwer auf (wundersame Geldreserven), um an jeder Ecke einen bewaffneten Staatsknecht stehen zu haben, damit „wir uns wieder sicher fühlen“.
    Schauen wir mal, wie viele Cents freigestellt werden, Betroffene, Unterkünfte etc. zu schützen und zu betreuen/versorgen. Und wie viel Kohle dann noch bleibt, die tatsächlichen Probleme zu lösen; von denen WK nicht eines nennt.

    Oder kurz: Dumpfes Geblubber!

  9. Lucius :-? sagt:

    Wer oder was seid ihr – Pseudolinke, Ultralinke oder ’nur‘ linke Radikalisten? Letzteres ist ja bekanntlich eine ‚kommunistische Kinderkrankheit‘. Also werdet mal erwachsen!

    • Nadja sagt:

      Was sind denn „Ultralinke“ und „linke Radikalisten“? Wie soll ein Bekenntnis zu diesen Kategorien funktionieren, wenn nur du weißt was sie bedeuten? Und was hat das eigentlich mit obigem Beitrag zu tun?


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